Interview mit Amanda Baker (deutsch)



English   castellano   (November 2009)

Amanda Baker ist der Pressekontakt der Vegan Society. Sie ist u.a zuständig Social Media und andere Öffentlichkeitsarbeit.

Amanda: Ich würde gerne allen Lesern „Hallo“ sagen. Vielen Dank für diese Möglichkeit mit euch zu „sprechen“ und danke für euer Interesse an einer pflanzenbasierten Ernährung und Lebensweise.

1) Seit wann bist du schon vegan und warum wurdest du vegan?
Vor ein paar Jahren entschied ich mich dafür vegan zu leben. Ich sah mich selbst immer als „Tierfreund“, aber ich wuchs in einer Fleisch essenden Familie und Kultur auf. Ich wohnte auf dem kleinen Bauernhof meiner Großeltern bis ich acht Jahre alt war, d.h. ich wusste schon immer, dass Fleisch eine Bezeichnung für Teile von toten Tieren ist. Aber ich brauchte viele Jahre bis ich verstand, dass ich die Wahl hatte kein Fleisch zu essen und dass ich ein gesundes und erfüllendes Leben haben könnte, ohne Tieren etwas zu nehmen.
Es waren die drastischen Auswirkungen der Tierhaltung auf die Umwelt, die mir dann endlich den nötigen Anstoß dazu gaben, mich für eine vegane Lebensweise zu entscheiden.

2) Die Vegan Society wurde 1944 gegründet. Könntest du uns etwas über die Vegan Society sagen? Wie viele Mitglieder hat sie, was macht die Vegan Society and wie war dieses Wachstum von einer Handvoll Leute zu dem, was die Vegan Society heute ist, möglich?
Die Vegan Society ist im Vereinigten Königreich als Wohltätigkeitsorganisation (charity) gesetzlich anerkannt und wird finanziell von ihren Mitgliedern getragen. Wir haben ungefähr 4.000 Mitglieder in Großbritannien und überall auf der Welt. Wir bieten allen Menschen gratis Informationen über die Vorteile einer Lebensweise auf pflanzlicher Basis für Menschen, Tiere und die Erde. Wir haben auch einige ganz spezifische Projekte. Bei unserem Projekt „Veganes Catering für alle“ (Vegan Catering for All) geht es darum, professionellen Cateringfirmen zu helfen, auch gutes veganes Essen anzubieten. In unserem Projekt „Globale Ernährungssicherheit“ (Global Food Security) kontaktieren wir Landwirte, Erzeuger, Politiker, Entscheidungsträger und Leute, die in der internationalen Entwicklung arbeiten, um ihnen die schädlichen Verbindungen zwischen Tierzucht, Hunger und globalem Klimawandel aufzuzeigen. Unser Projekt „Vegan Pledge“ bietet persönliche Beratung für Leute, die daran interessiert sind, es auszuprobieren, sich eine Woche oder länger mit Hilfe eines „Email-Mentors“ vegan zu ernähren. Unsere Mitgliederzahlen wachsen hauptsächlich dank unserer Mitglieder selbst, die unsere Arbeit unterstützen und anderen davon erzählen.

3) Viele Veganer außerhalb von Großbritannien (und Nordamerika) stellen sich England fast als eine Art veganes Märchenland vor, mit großen veganen Festivals, vielen veganen Produkten, Restaurants und vielen komplett veganen Firmen, bei denen auch die Besitzer vegan sind. Das ist wohl so, weil Veganismus aus England kommt und dort schon eine längere Geschichte hat. Denkst du, dass Großbritannien veganfreundlicher ist als andere Länder und könntest du uns sagen, ob es irgendwelche Statistiken darüber gibt, wie viele Veganer es in England und Großbritannien gibt?
Wir gehen davon aus, dass es mindestens 150.000 Veganer in Großbritannien gibt. Es könnte sein, dass Großbritannien auf dem Gebiet führend ist. Es gibt tatsächlich haufenweise vegane Restaurants in Großbritannien – und noch viel mehr Restaurants mit guten veganen Optionen – viele davon in London oder anderen englischen Städten aber auch in anderen Teilen des Vereinigten Königreichs: Schottland (besonders in Glasgow), Wales und Nordirland. Aber ich hoffe, das Vereinigte Königreich und alle anderen Länder können zusammenarbeiten, damit alle Länder immer veganfreundlicher werden!

4) Immer mehr Veganer wissen jetzt, dass man Vitamin B12 durch Ergänzungspräparate oder angereicherte Produkte zusätzlich zu sich nehmen muss. Ist das Vitamin B12, mit dem Nahrungsmittel angereichert werden, immer vegan? Und gibt es außer Vitamin D3 (aus Fisch oder Wolle) noch andere Vitamine, bei denen man aufpassen sollte (da sie eventuell nicht vegan sind), wenn man z.B. ein Vitaminpräparat oder eine Schachtel Cornflakes kauft?
Um die Vorteile einer gut geplanten veganen Ernährung zu genießen, sollten Veganer das Folgende tun:

* 2 bis 3 mal pro Tag mit B12 angereicherte Nahrungsmittel essen – mindestens 3 Mikrogramm (μg oder mcg) pro Tag
oder
* jeden Tag ein B12-Präparat nehmen – mit mindestens 10 Mikrogramm pro Tag
oder
* jede Woche ein B12-Präparat nehmen – mit mindestens 2000 Mikrogramm pro Tag

Vitamin B12 wird immer von Mikrooganismen hergestellt und nach unserem besten Wissen ist so gut wie alles B12, mit dem Lebensmittel angereichert werden, vegan. Aber man kann bei eventuellen Zweifeln immer die Firmen direkt kontaktieren, um detailierte Informationen zum Herstellungsprozess zu bekommen. Viele Firmen reden lieber mit Kunden als mit der Vegan Society, falls also irgendjemand eine Art von B12 finden sollte, die nicht vegan ist, schickt uns bitte eine E-mail (info[AT]vegansociety.com). Das gleiche gilt für andere Vitamine (außer Vitamin D3, wie du sagst).

5) Fallen dir bestimmte Fehler ein, die die vegane Bewegung in Großbritannien (oder anderswo) gemacht hat, Fehler, die andere anderswo vermeiden könnten?
Sogar in Großbritannien gibt es oft negative Vorurteile gegenüber Veganern – dass wir ungesund sind oder aggressiv oder dass wir unsere gesamte Zeit dafür verwenden, mit anderen Veganern herumzudiskutieren. Wir sind sehr bemüht, die besten Empfehlungen für eine gesunde vegane Lebensweise bereitzustellen – zusammengefasst in unserer Broschüre „Pflanzliche Ernährung“ – und wir bitten alle Veganer, diese Empfehlungen zu lesen, weiterzugeben und sie in die Praxis umzusetzen, damit wir allen die beste Seite einer veganen Lebensweise präsentieren können.
In Bezug auf Aggressivität: Natürlich sind wir alle ganz leidenschaftlich davon überzeugt, dass wir die Grausamkeiten gegenüber Tieren beenden müssen. Aber ich glaube, dass, wenn wir die Leute überreden und überzeugen wollen, ihr Leben zu ändern und vegan zu werden, dann müssen wir Geduld und Mitgefühl für diese Menschen entwickeln. Die meisten Veganer waren viele Jahre lang Fleischesser – das sollte uns dabei helfen, uns in all die Menschen einfühlen zu können, die immer noch auf dem Weg zum Veganismus sind.

6) Könntest du uns etwas zu VEG 1 sagen? Es ist auch in Deutschland und Österreich erhältlich. Weißt du, ob es auch in anderen Ländern erhältlich ist oder die Möglichkeit besteht, dass andere es in ihre eigenen Länder importieren?
VEG 1 ist ein Nahrungsergänzungspräparat, das für Veganer jeglichen Alters geeignet ist. Es wurde als „Absicherung“ für Veganer entworfen, als kleine Hilfe, um eine vollkommen ausgeglichene Ernährung zu erreichen. Soweit wir wissen kann jeder, der Internetzugang hat, VEG 1 über unsere Website bestellen. Wir freuen uns über alle Anfragen von Leuten, die VEG 1 verkaufen wollen, egal in welchem Land, aber wir würden nur das VEG 1 liefern und nicht die gesetzlichen Vorschriften des jeweiligen Landes prüfen. Das müssten die Einkäufer selbst machen.

7) Die Vegan Society hat ein Film aus dem Jahr 1994 – „Truth or Dairy”. Wissen Sie, ob es Untertitel zum Film in anderen Sprachen gibt? Gibt bei der Vegan Society Pläne, noch andere Filme zu machen?
Wir wüssten nicht, dass es Versionen von „Truth or Dairy“ mit Untertiteln gäbe, und wir haben im Moment auch keine Textdatei zum Film. Aber wir sind offen dafür, einen neuen Film zu machen. [Den gibt es mittlerweile: Making the Connection]

8) Hast du irgendwelche Tipps oder Ideen, um Veganismus im 21. Jahrhundert zu verbreiten?
Hört Nicht-Veganern zu, um zu lernen, wie man mit ihnen kommunizieren kann. Wir sollten Gemeinsamkeiten suchen, einen Ansatzpunkt, bei dem man anfangen kann. Erinnern wir uns daran, dass auf Lebensweisen auf pflanzlicher Basis zur Lösung vieler moderner Probleme beitragen können. Wir können uns selbst etwas schlau machen über die Vorteile veganer Lebensweisen, so dass wir diese Informationen mit Selbstbewusstsein aber auch mit Mitgefühl an andere weitergeben können.
z.B.: Eine gut geplante Ernährung auf pflanzlicher Basis kann uns dabei helfen, Empfehlungen für gesunde Ernährung einzuhalten, z.B. für den Verzehr von Fetten, Obst und Gemüse. Im Vereinigten Königreich bräuchten wir mit einer gut geplanten veganen Ernährung nur je ein Drittel des Trinkwassers, der landwirtschaftlichen Nutzfläche und der Energie verglichen mit der hier üblichen Ernährung. Die Vereinten Nationen haben aufgezeigt, dass mit der Menge an Kalorien, die wir dadurch verschwenden, dass wir Getreide an Tiere in der Landwirtschaft verfüttern, theoretisch 3,5 Milliarden Menschen ernährt werden könnten – und die menschliche Bevölkerung wird bis 2050 wahrscheinlich 9 Milliarden erreichen. Die Tierzuchtindustrie ist weltweit einer der drei Hauptverursacher aller von Menschen erzeugter Treibhausgase – und der Klimawandel verursacht jetzt schon Hunger.
Falls nichts funktioniert, behaltet euren Humor – und lernt hervorragenden Schokoladenkuchen zu backen und teilt den dann mit Nicht-Veganern!

9) Was, glaubst du, sind die Hauptgründe, warum Menschen wieder aufhören, vegan zu leben? Denkst du, dass die vegane Bewegung insgesamt gewachsen ist und weiterhin wächst?
Wir können das nicht sicher sagen, aber der Druck, unter dem die Menschen in einer nicht-veganen Welt stehen, kann für manche sehr schwer zu ertragen sein. Aber ingesamt, ja – wir denken, dass die vegane Bewegung ein gesundes Wachstum hat!

10) Oft gibt es Leute, die andere Ideen zur Definition von Veganismus hinzufügen wollen, z.B. „Veganismus heißt Pazifismus“ oder „Veganismus sollte auch heißen, dass man sich gesund ernährt“. Menschen mit den verschiedensten Hintergründen leben vegan und die Definition von Veganismus gibt es ja schon. Was ist deine Meinung dazu und könntest du uns die „offizielle“ Definition der Vegan Society von Veganismus geben?
Es ist hilfreich, sich auf eine grundlegende Definition von veganen Lebensweisen zu einigen. Wir bieten an:

„Vegane Lebensweisen sind Lebensweisen, bei denen versucht wird – soweit wie möglich und durchführbar – alle Arten der Ausbeutung von Tieren für Nahrungsmittel, Kleidung oder jegliche anderen Zwecke zu vermeiden.“

Es ist auch hilfreich, sich daran zu erinnern, dass der Zweck des Veganismus ist, Tieren zu helfen. Du musst kein perfekter Mensch sein, um vegan zu sein!
Bei irgendwelchen Fragen, Kommentaren, Informationen o.ä.... schreibt uns! info[AT]vegansociety.com

Video mit Amanda Baker: youtube