B12 - Coenzym-Funktionen (von Jack Norris)

This article in the English original: Coenzyme Functions 

B12-Funktionen 

In den Zellen von Säugetieren (1) gibt es zwei verschiedene Coenzym-Formen von Vitamin B12 (2):
  • Methylcobalamin
    • wird von dem Enzym Methionin-Synthase verwendet, um Homocystein (HCY) in Methionin umzuwandeln.
  • 5'-Deoxyadenosylcobalamin
    • wird von dem Enzym Methylmalonyl-CoA-Mutase verwendet, um Methylmalonyl-CoA in Succinyl-CoA umzuwandeln.
    • wird von dem Enzym Leucin-Aminomutase verwendet, um B-Leucin und L-Leucin in das jeweils andere umzuwandeln.


Homocystein-Abbau

Methionin ist eine essenzielle Aminosäure, die wir aus der Ernährung zu uns nehmen. Eine gewisse Menge von Methionin wird in Homocystein (HCY) verwandelt. HCY scheint ein Nerven- und Gefäβgift zu sein, das Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt, wenn die Werte hoch sind. Man geht davon aus, dass HCY Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht, indem es oxidative Schäden und Schäden der Gefäβwände hervorruft (3). Der Körper wandelt HCY normalerweise in andere Moleküle um, u.a. zurück in Methionin. Falls diese Möglichkeit versperrt ist, steigen die HCY-Werte. Methylcobalamin (B12) wird von Methionin-Synthase benötigt, um HCY in Methionin umzuwandeln. Wenn jemand also einen B12-Mangel hat, steigen die HCY-Werte.


Anämie, DNA und Folat

Herkömmlicherweise wurde B12-Mangel, dessen Ursache normalerweise die Unfähigkeit B12 zu absorbieren war, dadurch diagnostiziert, dass man ungewöhnlich groβe rote Blutkörperchen feststellte. Diese Art der Anämie hat zwei Bezeichnungen:
  • Makrozytäre Anämie – wenn das Durchschnittsvolumen der roten Blutkörperchen – genannt mittleres Erythrozyteneinzelvolumen [mean corpuscular volume, MCV] - gröβer als normal ist.
  • Megaloblastische Anämie - wenn ungewöhnlich groβe rote Blutkörperchen unter dem Mikroskop beobachtet werden.

Das Vitamin Folat (Folsäure) beeinflusst die Anämie-Symptome bei B12-Mangel. Folat wird benötigt, um Uracil in Thymidin, einen essenziellen Baustein von DNA (4), umzuwandeln. DNA wird benötigt, um neue rote Blutkörperchen herzustellen und damit sich diese teilen können. B12 ist an diesem Prozess beteiligt, da es bei der Herstellung von Methylcobalamin (das bei der Umwandlung von HCY in Methionin verwendet wird) eine Form von Folat produziert, das man braucht, um DNA herzustellen. Falls kein B12 zur Verfügung steht, kann es zu einem Mangel an dieser Form von Folat kommen (Man nennt dies „Methyl-Folat-Falle“ – methyl-folate trap.) und die DNA-Produktion verlangsamt sich (5). Siehe Methionin-Homocystein-Folat-B12-Kreislauf für ein Schaubild dieser Vorgänge.

Nur RNA ist nötig, um das in den roten Blutkörperchen vorkommende Hämoglobin zu produzieren. Im Gegensatz zu DNA, benötigt RNA kein Thymidin. Falls Folat nicht ausreichend vorhanden ist, teilen sich die roten Blutkörperchen (zu Anfang groβe Zellen, genannt Retikulozyten) deshalb nur langsam, da sie für die Teilung auf DNA angewiesen sind. Gleichzeit braucht ihr Hämoglobin nur RNA und wird mit normaler Geschwindigkeit produziert. Dies führt zu groβen roten Blutkörperchen, die als Makrozyten bezeichnet werden (4, 6). Falls sich genug dieser Makrozyten anhäufen, ist das Ergebnis makrozytäre Anämie.

Falls groβe Mengen Folat durch die Ernährung aufgenommen werden, muss der Körper sich nicht auf die Neubildung von Folat durch den B12-Kreislauf verlassen. Statt dessen kann er überschüssiges Folat aus der Ernährung verwenden, um DNA herzustellen, und so makrozytäre Anämie verhindern (siehe Schaubild: Methionin-Homocystein-Folat-B12-Kreislauf, unten rechts im Schaubild). Aus diesem Grund sagt man, dass eine hohe Folatzufuhr B12-Mangel „verschleiert“.

Schlimmer noch: Ein Eisenmangel (der aufgrund von unzureichender Hämoglobin-Herstellung zu kleinen roten Blutkörperchen führt) kann den makrozytären Zellen entgegenwirken und so den Eindruck erwecken, als seien die Blutkörperchen normal, obwohl ein mehrfacher Mangel besteht (7).

Darmzellen sterben ebenfalls schnell ab und werden unter Verwendung von DNA ersetzt. Ein B12-Mangel kann sich selbst verschlimmern, weil er die Produktion von Darmzellen, die man braucht, um B12 zu absorbieren, verhindern kann.



Die Abwesenheit einer Anämie bedeutet nicht, dass die B12-Werte gesund sind.

Herkömmlicherweise verlieβ man sich auf das die makrozytäre Anämie, um einen B12-Mangel anzuzeigen. Neurologische Störungen aufgrund von B12-Mangel kommen jedoch häufig in Abwesenheit einer makrozytären Anämie vor.

Tabelle 1. B12-Werte bei Patienten mit neurologischen Problemen, ohne makrozytäre Anämie (pg/ml)
Anzahl der Patienten
Serum-B12
2
> 200
16
100-200
22
< 100


Lindenbaum et al. (8) (1988, USA) untersuchten 141 Fälle von neurologischen Problemen aufgrund von B12-Mangel. 40 Personen (28%) hatten keine makrozytäre Anämie (Bei sechs Patienten könnte Eisenmangel zur Abwesenheit der makrozytären Anämie beigetragen haben - und in zwei anderen Fällen könnte eine Folat-Behandlung die Ursache gewesen sein.). Diese 40 Personen hatten sehr hohe Serum-MMA-Werte (im Bereich von 0,76-187 µmol/l, 78% > 2 µmol/l) und Homocysteinwerte (23-289 µmol/l, 45% > 100 µmol/l). Typische Anzeichen bei Patienten mit B12-Mangel aber ohne makrozytäre Anämie waren u.a.: Einschränkung der Sinneswahrnehmungen, Unfähigkeit die Muskeln problemlos zu bewegen (Ataxie), Demenz und psychische Störungen. Sie hatten auβerdem B12-Werte im Grenzbereich (und manchmal Normalbereich - siehe Tabelle 1). Ein Patient starb während der ersten Woche der Behandlung, aber die anderen 39 profitierten von der B12-Therapie. Manche Patienten hatten nach Jahren von Behandlung noch zurückbleibende Schäden.


Methylmalonsäure (MMA)

Die zweite Coenzym-Form von B12, Adenosylcobalamin, ist an der Umwandlung von Methylmalonyl-CoA in Succinyl-CoA beteiligt. Wenn kein B12 zur Verfügung steht, steigen die Methylmalonyl-CoA-Werte. Methylmalonyl-CoA wird dann in Methylmalonsäure (MMA) umgewandelt, die dann im Blut und Urin ansteigt. Da B12 das einzige für diesen Vorgang benötigte Coenzym ist, sind MMA-Werte der beste Indikator für einen B12-Mangel.

Hohe MMA-Werte können auch (aber selten) von Gendefekten, Nierenversagen, niedrigem Blutvolumen, Veränderungen der Darmflora, Schwangerschaft und Schilddrüsenerkrankungen verursacht werden (9, 10).

Normale Serum-MMA-Werte sind 0,07 bis 0,27 µmol/l. Im Abschnitt weiter oben „Die Abwesenheit einer Anämie bedeutet nicht, dass die B12-Werte gesund sind“ konnten wir sehen, dass Patienten mit Serum-MMA-Werten im Bereich von 0,76 bis 187 µmol/l neurologische Probleme hatten. Was ist mit Werten im Bereich zwischen 0,27 und 0,76 µmol/l?

In einer Studie mit nicht-vegetarischen, älteren Erwachsenen mit leicht erhöhten MMA-Werten (0,29-3,6 µmol/l) sagten höhere Serum-MMA-Werte keine neurologischen Probleme voraus (10). Diese Individuen wurden jedoch nicht mit Menschen mit normalen Serum-MMA-Werten verglichen. Da es keine Kontrollgruppe gab, können wir nicht feststellen, ob Menschen mit leicht erhöhten Serum-MMA-Werten ein höheres Risiko für neurologische Probleme haben. Wir können nur darauf hinweisen, dass ein Anstieg der Serum-B12-Werte von 0,29 auf 3,6 keine weiteren, messbaren neurologischen Schäden verursacht.

In einer anderen Studie (11) wurden ältere Erwachsene mit leicht erhöhten MMA-Werten (0,27 – 2,00 µmol/l) mit Cyanocobalamin-Injektionen behandelt: Die MMA-Werte fielen um 66% und die Homocysteinwerte fielen um 23%. Patienten mit MMA im Bereich von 0,60-2,00 µmol/l erfuhren durch die B12-Therapie neurologische Verbesserungen.

Diese Studien zeigen:
  • Ein leichter Anstieg der Serum-MMA-Werte von 0,29 auf 0,60 µmol/l erhöht eventuell das Risiko für neurologische Probleme nicht.
  • Personen mit MMA-Werten über 0,27 µmol/l haben eventuell erhöhte Homocysteinwerte und können von einer B12-Therapie profitieren.
  • Personen mit Serum-MMA-Werten über 0,60 µmol/l haben eventuell neurologische Probleme und können von einer B12-Therapie profitieren.


Quellenangaben

1. Scalabrino G. Subacute combined degeneration one century later. The neurotrophic action of cobalamin (vitamin B12) revisited. J Neuropathol Exp Neurol. 2001 Feb;60(2):109-20.

2. Seetharam B, Li N. Transcobalamin II and its cell surface receptor. Vitam Horm. 2000;59:337-66.

3. Hackam DG, Peterson JC, Spence JD. What level of plasma homocyst(e)ine should be treated? Effects of vitamin therapy on progression of carotid atherosclerosis in patients with homocyst(e)ine levels above and below 14 micromol/L. Am J Hypertens. 2000 Jan;13(1 Pt 1):105-10.

4. Guyton AC, Hall JE. Textbook of Medical Physiology, 9th ed. Philadelphia, PA: W.B. Saunders, Co: 1996. p. 845-7.

5. Murray RK, Granner DK, Mayes PA, Rodwell VW. Harper's Biochemistry, 24th ed. Appleton & Lange, 1996.

6. Groff J, Gropper S. Advanced Nutrition and Human Metabolism, 3rd ed. Wadsworth: 2000.

7. Herbert V. The 1986 Herman Award Lecture. Nutrition science as a continually unfolding story: the folate and vitamin B-12 paradigm. Am J Clin Nutr. 1987;46:387-402.

8. Lindenbaum J, Healton EB, Savage DG, Brust JC, Garrett TJ, Podell ER, Marcell PD, Stabler SP, Allen RH. Neuropsychiatric disorders caused by cobalamin deficiency in the absence of anemia or macrocytosis. N Engl J Med. 1988 Jun 30;318(26):1720-8.

9. Minet JC, Bisse E, Aebischer CP, Beil A, Wieland H, Lutschg J. Assessment of vitamin B-12, folate, and vitamin B-6 status and relation to sulfur amino acid metabolism in neonates. Am J Clin Nutr. 2000 Sep;72(3):751-7.

10. Hvas AM, Ellegaard J, Nexo E. Increased plasma methylmalonic acid level does not predict clinical manifestations of vitamin B12 deficiency. Arch Intern Med. 2001 Jun 25;161(12):1534-41.

11. Hvas AM, Ellegaard J, Nexo E. Vitamin B12 treatment normalizes metabolic markers but has limited clinical effect: a randomized placebo-controlled study. Clin Chem. 2001 Aug;47(8):1396-404.